Lachenmann Perspektiven

DVD-Reihe zum Orchesterwerk Helmut Lachenmanns

Regie: Wiebke Pöpel

Ein Projekt von Musik der Jahrhunderte, Stuttgart

Breitkopf & Härtel
Wiesbaden

Beschreibung

Die Regisseurin Wiebke Pöpel reiste im Rahmen der 2015/16 veranstalteten „Lachenmann Perspektiven“ zu insgesamt neun Orchester-Einstudierungen von und mit Helmut Lachenmann quer durch Europa. Aus dem filmischen Ergebnis dieser Reisen ist eine siebenteilige DVD-Reihe entstanden. Die DVDs sind als Annäherung an die Orchesterwerke Lachenmanns zu betrachten, die einen lebendigen Eindruck von der Zusammenarbeit des Komponisten mit den Musikern und Dirigenten vermitteln.

 

DVD 2

AIR

Gesamtspieldauer ca. 124 Minuten
Musik für großes Ensemble mit Schlagzeug-Solo (EMO-Fassung)

Bei „Air“ hatten wir mit dem Ensemble Modern Orchestra, dem Dirigenten Brad Lubman und Helmut Lachenmann ein durch langjährige Zusammenarbeit eingespieltes Team vor der Kamera. Die ausführlichen Teilproben mit dem Komponisten konnten wir fast vollständig filmen. Ein Highlight für das Filmteam war ein Ausflug mit Helmut Lachenmann in den winterlichen Wald bei Frankfurt – auf der Suche nach trockenen Ästen für perfekte „Knack“-Geräusche.
Das Konzert mit der Uraufführung von „Air“ in der EMO-Fassung fand am 27. November 2015 zum 80. Geburtstag des Komponisten im Konzertsaal des Wiesbadener Kurhauses statt.
(Wiebke Pöpel)

 

DVD 3

Schwankungen am Rand

Musik für Blech und Saiten
Gesamtspieldauer ca. 115 Minuten

„Schwankungen am Rand“ haben wir zwei Mal gefilmt – einmal unter der Leitung von Emilio Pomàrico mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (Radialsystem Berlin, Januar 2015), einmal mit Brad Lubman und dem Ensemble Modern Orchestra (Frankfurt/Wiesbaden, November 2015). Aus den ausführlichen Teilprobenaufnahmen mit dem Ensemble Modern sind drei ca. 15-minütige Filme entstanden. Diese werden ergänzt durch Probenszenen mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, in denen Helmut Lachenmann neben Spieltechniken auch Stück-Spezifisches wie die „Einwürfe“ und den Einsatz des „Pack-“ bzw. „Backpapiers“ erklärt. Die Proben fanden teils auf Deutsch, teils auf Englisch statt – die deutschsprachigen Passagen sind in den Filmen englisch untertitelt. Der Konzertmitschnitt zeigt die Aufführung in Berlin, die auch durch die räumliche Anordnung im Radialsystem besonders überzeugte.
(Wiebke Pöpel)

Begründung der Jury

Seit den experimentellen sechziger Jahren kommt die Notation der neuen Musik regelmäßig an ihre Grenzen: weil die Tongebung nichts mehr mit dem akademischen Ideal zu tun hat, die Produktion der Klänge im Laufe der Jahre unendlich differenziert und damit oft unkalkulierbar geworden ist, die Aktion der Spieler genauso wichtig wurde wie das Klangergebnis. Helmut Lachenmann, einer der Protagonisten der Erweiterung des Spielens (und Hörens!), war in den Partituren für seine „musique concrète instrumentale“, wie er sie nennt, immer höchst erfinderisch – dennoch ist die Erklärung und Demonstration seiner Klangvorstellungen und -herstellungen für die Ensembles immer wieder vonnöten. Und weil der heute 83-jährige Komponist nicht (mehr) omnipräsent sein kann, bietet sich zum Einstieg in den Lachenmann-Kosmos eine Reihe von DVD-Dokumentationen an, die unter der Regie von Wiebke Pöpel bei Veranstaltungen von „Musik der Jahrhunderte“ rund um Lachenmanns 80. Geburtstag entstanden.

„Lachenmann Perspektiven“ nennt sich die auf sieben Folgen angelegte – und pädagogisch zertifizierte – Serie über das Orchesterwerk, die auch in Folge 2 („Air“ in der Ensemble-Neufassung von 2015) und 3 („Schwankungen am Rand“ von 1975) ein überzeugendes Konzept umsetzt. In jeweils drei Kapiteln wird zuerst der Probenprozess mit Lachenmann und dem Dirigenten in den einzelnen Instrumentengruppen vorgeführt, Kapitel 2 dokumentiert die vollständige Aufführung, während im 3. Teil der Komponist selbst zu Wort kommt und seine Musikphilosophie umkreist, das Finden von Geräuschen beschreibt oder Anekdoten zum Besten gibt (etwa über die Frankfurter Uraufführung von „Air“, bei der 100 Diakonissen aus dem Stift seiner Schwester die Reihen füllten).

Wir haben das Glück, auf einen der eloquentesten Komponisten der Gegenwart zu treffen, der nicht nur empathisch mit seinen MusikerInnen umgehen und ihnen die Klangproduktion schlüssig und fantasievoll erklären kann. Lachenmann hat auch einen großartigen schwäbischen Humor und ein Charisma ohne Erlöserpathos, das für ihn und seine Werke einnimmt. Die Reihe ist sorgfältig ediert und geschnitten, mit aufwändigen Kameraeinstellungen. Die Gestaltung der DVDs ist frisch und sehr ästhetisch. Bis hinein in die Typografie und Gestaltung der User Interfaces trägt das Design einen unkonventionellen und lebendigen Geist und ist überdies sehr funktional.

Insgesamt ein Produkt, das für den Musikliebhaber genauso erhellend ist wie für den Lachenmann-Einsteiger oder den Profi, der sich für die Handhabung seines Instruments interessiert.

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